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Right to Repair: Neue EU-Richtlinie verändert die E-Bike-Branche

Right to Repair verändert die E-Bike-Branche
Right to Repair: Neue EU-Richtlinie verändert die E-Bike-Branche - Foto: © mmphoto #386501272 - stock.adobe.com

Am 10. Juli 2024 ist die sogenannte Right to Repair -Richtlinie in Kraft getreten. Ziel dieser Richtlinie ist es, Reparaturen und die Wiederverwendung defekter Elektrogeräte zu fördern und so E-Waste zu reduzieren. In den kommenden Jahren wird die EU ihre Mitgliedsstaaten verpflichten, entsprechende Maßnahmen umzusetzen.
Reparaturen sollen künftig Vorrang vor Ersatzkäufen haben – auch außerhalb der gesetzlichen Gewährleistung. Besonders für die E-Bike-Branche ergeben sich daraus tiefgreifende Veränderungen.

Von der Richtlinie zur Umsetzung

Bis zum 31. Juli 2026 müssen die Mitgliedstaaten diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Damit stehen Händler und Hersteller von E-Bikes schon bald in der Pflicht, Reparaturen stärker zu priorisieren.

Kernpunkte der Richtlinie:

  • Innerhalb der Garantiezeit ist eine kostenfreie Reparatur anzubieten, sofern die Kosten nicht höher sind als für ein Ersatzprodukt.
  • Ersatzlieferungen sind nur zulässig, wenn sie günstiger sind als eine Reparatur.
  • Liegt der Hersteller außerhalb der EU, muss ein europäischer Vertreter (z. B. Importeur oder Händler) für eine Reparaturlösung sorgen.
  • Auch außerhalb der Garantiezeit muss der Verkäufer auf die Möglichkeit einer Reparatur hinweisen.
  • Online-Plattformen sollen Verbrauchern den Vergleich zertifizierter Reparaturbetriebe erleichtern.
  • Einheitliche Qualitätsstandards auf EU-Ebene sollen Transparenz und Sicherheit im Reparaturprozess gewährleisten.

Für die Fahrradindustrie, in der Reparaturen zwar seit jeher üblich sind, aber nicht bei allen elektronischen Komponenten, bedeutet dies einen Kulturwandel.

Reparaturen stärker priorisieren
Mit der Richtlinie stehen Händler und Hersteller von E-Bikes schon bald in der Pflicht, Reparaturen stärker zu priorisieren – Foto: © kasarp #438652243 – stock.adobe.com

Fahrradakku als Schwachstelle und Herausforderung

E-Bikes unterscheiden sich von klassischen Fahrrädern vor allem durch ihre elektrischen Komponenten – insbesondere Akku und Motor. Diese Bauteile gelten als besonders anfällig und kostenintensiv. Aus wirtschaftlicher Sicht entschieden Händler bislang häufig zugunsten eines Austauschs oder empfahlen den Kauf eines neuen Rads, insbesondere nach Ablauf der Garantiezeit.

Mit der neuen EU-Regelung wird diese Praxis in Frage gestellt.

Künftig müssen E-Bike Akku Reparaturen, Motor, Controller oder Display stärker im Hinblick auf Reparierbarkeit betrachtet werden. Besonders die Batterie gilt als Schlüsselkomponente: Sie bestimmt Reichweite, Leistung und Sicherheit eines E-Bikes und ist zugleich die Komponente mit der höchsten Ausfallquote.

Fahrradakku als Schwachstelle und Herausforderung
Fahrradakku als Schwachstelle und Herausforderung – Foto: © Janet Worg #442801211 – stock.adobe.com

Verantwortung verlagert sich

Mit dem Inkrafttreten der Richtlinie rückt die Verantwortung für schnelle und umweltfreundliche Lösungen näher an den europäischen Markt. Händler können sich nicht mehr darauf verlassen, defekte Akkus einfach an asiatische Hersteller zurückzusenden oder den Ersatzkauf zu forcieren. Stattdessen müssen Reparaturmöglichkeiten vor Ort verfügbar sein – mit entsprechenden Fachkenntnissen und Kapazitäten.

In den vergangenen Jahren haben einige Batterieproduzenten bereits europäische Servicepunkte eingerichtet, um auf die bevorstehenden Anforderungen vorbereitet zu sein.

Dennoch ist ein erheblicher Teil des Marktes auf spezialisierte Drittanbieter in Europa angewiesen, die das notwendige Know-how im Umgang mit Lithium-Ionen-Akkus mitbringen.

Nachhaltigkeit im Fokus

Die EU-Richtlinie zielt nicht nur auf eine effizientere Reparatur ab, sondern auch auf einen tiefgreifenden Wandel im Umgang mit Ressourcen. Indem defekte Geräte repariert anstatt entsorgt werden, verlängert sich ihre Lebensdauer erheblich. Dies verringert die Menge am sogenannten Elektroschrott drastisch, der andernfalls auf Deponien landen würde.

Insbesondere bei E-Bike-Akkus, die eine komplexe Zusammensetzung und Rohstoffe wie Lithium und Kobalt enthalten, ist die Verlängerung der Nutzungsdauer von großer Bedeutung. Jede Reparatur trägt dazu bei, den Bedarf an Neuanfertigungen und den damit verbundenen Abbau knapper Rohstoffe zu senken.

Darüber hinaus stärkt die Verlagerung von Reparaturen nach Europa lokale Wertschöpfungsketten und reduziert die Umweltauswirkungen langer Transportwege, die bei der Rücksendung an asiatische Hersteller entstehen. Dies ist nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch ökologisch.

Nachhaltigkeit im Fokus
Die EU-Richtlinie zielt nicht nur auf eine effizientere Reparatur ab, sondern auch auf einen tiefgreifenden Wandel im Umgang mit Ressourcen – Foto: © zphoto83 #1628753381 – stock.adobe.com

Spezialisierte Reparaturpartner als Bindeglied

Unternehmen, die sich auf die Reparatur von Lithium-Akkus für kleine Elektrofahrzeuge spezialisiert haben, spielen eine zunehmend wichtige Rolle. Sie unterstützen nicht nur Händler, sondern auch Hersteller bei Rückrufaktionen, beim Recycling älterer Modelle oder beim Wiederaufbau von Batteriepacks.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Reparaturen innerhalb Europas verkürzen Transportwege, senken Kosten und beschleunigen die Abwicklung erheblich.

Für Händler bedeutet dies eine bessere Kundenbindung, für Verbraucher eine zuverlässigere Versorgung mit funktionstüchtigen Ersatzteilen. Gleichzeitig wird die Nachhaltigkeit der gesamten Wertschöpfungskette gestärkt.

Ausblick

Die EU verfolgt mit dem Right to Repair das Ziel, Elektroschrott zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Für die E-Bike-Branche bedeutet dies einen fundamentalen Wandel: Weg vom Wegwerfprinzip, hin zu einer reparaturfreundlichen Kultur.

Insbesondere Akkus stehen dabei im Mittelpunkt, da sie nicht nur das teuerste, sondern auch das kritischste Bauteil darstellen. Händler und Hersteller sind gefordert, in den kommenden Jahren Reparaturstrukturen aufzubauen oder Partnerschaften mit spezialisierten Dienstleistern einzugehen.

Langfristig kann die neue Gesetzgebung dazu beitragen, Vertrauen in die E-Bike Technologie zu stärken und den europäischen Markt unabhängiger von globalen Lieferketten zu machen. Für Verbraucher bedeutet sie mehr Transparenz und Verlässlichkeit, für die Branche neue Chancen – vorausgesetzt, die Anforderungen werden konsequent umgesetzt.